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Sieben Tage zwischen Himmel und Nichts

 

Sieben Tage zwischen Himmel und Nichts – Das Tagebuch des Elian Kurov

„Eine realistisch angelegte fiktive Geschichte“

Tag 1 – Der Himmel wartet nicht

Ich wachte um 04:12 Uhr auf, lange bevor der Techniker das Licht im Schlafraum aufdrehte. Mein Herz schlug, als hätte es einen eigenen Countdown. Heute war der Tag. Der Tag, an dem ich den Planeten verlassen würde.

Die Stunden vor dem Start verliefen mechanisch: körperliche Untersuchung, letzte Einweisung, zwei Gläser Wasser, nichts zu essen. Ich zog den Druckanzug an – Schicht für Schicht, als würde ich mich langsam von der Erde lösen.

08:02 Uhr: Ich lag auf dem Rücken in der Kommandokapsel der Strela-3A, einem engen Metall-Ei mit kaum Platz zum Strecken. Das Funkgerät knackte. „Kurov, bestätigen Sie Startbereitschaft.“ Ich sagte nur: „Bereit.“ In meinem Innersten aber wog dieser Satz Tonnen.

08:10 Uhr: Countdown. Die Triebwerke zündeten mit einem grollenden Schlag, der durch meine Brust vibrierte. Die Welt wurde zu Lärm und Druck. Ich spürte, wie mein Körper in den Sitz gepresst wurde. Mein Sichtfeld verengte sich. Ich hielt den Atem an.

Und dann – Stille. Nicht absolute, aber fast. Die Raketenspitze hatte den Widerstand der Atmosphäre durchbrochen. Ich spürte, wie mein Körper plötzlich zu schweben begann.

Ich war im All.


Tag 2 – Die Erdkrümmung

Die erste Nacht schlief ich kaum. „Nacht“ ist hier ein relativer Begriff. Alle 90 Minuten umrundet Strela-3A die Erde. Es gibt also 16 Sonnenaufgänge pro Tag – aber mein Biorhythmus kennt nur einen.

Schlaf in der Schwerelosigkeit ist seltsam. Ich schnallte meinen Schlafsack an die Wand, zog ihn eng um meinen Körper. Kein Bett, kein Kissen. Kein Druckpunkt. Man treibt in sich selbst.

Ich schlief ein – aber ich weiß nicht wann. Ich träumte von meiner Mutter. Sie saß am Küchentisch, hielt meine Hand. Als ich aufwachte, schwebte ein Tropfen Kondenswasser vor meinem Gesicht. Ich blinzelte – und sah durch das Bullauge die Erdkrümmung in Blau und Gold.

Ich habe noch nie etwas Schöneres gesehen.

Den Tag verbrachte ich mit Routinen: Sauerstofflevel prüfen, Kommunikation testen, Kapseltemperatur regulieren. Das Essen? Es kam aus Alupackungen – püriert, salzarm, geschmacklos. Ich löffelte Kartoffelbrei mit Rind, der wie nasse Pappe schmeckte. Und ich musste trinken – aber Wasser kam aus Schläuchen, nicht aus Gläsern.

Und dann war da noch… das andere.


Tag 3 – Wie verrichtet man im All sein Geschäft?

Das fragt jeder – aber kaum jemand kennt die Antwort. Also: Wir haben keine Toilette. Nur einen Beutel mit Gummifassung. Ich befestigte ihn, urinierte mit Mühe hinein. Danach: chemischer Verschluss. Kein angenehmer Vorgang – aber nötig.

Das große Geschäft? Das machte ich nur einmal während der Mission – und dieser Tag war Tag 3. Der Kotbeutel war klobig, geruchsversiegelt, aber: man schämt sich trotzdem. Auch allein.

Das Entleeren geschieht nicht: Der Beutel bleibt in einem isolierten Fach. Die Raumkapsel wird bei Rückkehr desinfiziert. Ich versuchte, so wenig wie möglich zu essen, um es zu vermeiden.

Ich verlor heute Zeitgefühl. Ich wusste nicht mehr, ob es draußen Tag oder Nacht war. Die Sonne blendete mich bei jedem Umlauf. Ich klebte schwarze Folie über das Fenster, nur um schlafen zu können.

Und doch: Ich fühlte mich lebendig. Ich war nicht mehr Mensch auf der Erde. Ich war ein Mensch im Raum.


Tag 4 – Isolation

Ich begann zu sprechen. Nicht zum Funk – einfach so. Ich sagte Dinge wie „Elian, iss jetzt was“ oder „Nicht vergessen: Druckanzeige checken“. Mein eigenes Echo wurde zum Begleiter.

Der Kontakt zur Bodenstation war lückenhaft. Wenn die Kapsel über Ozeanen trieb, war Funkstille. Das bedeutete: Ich war für 20–30 Minuten vollkommen allein.

Ich begann, mich selbst in der dritten Person zu denken. „Kurov wird das überstehen.“ „Kurov hat noch 3 Tage.“

Ich machte Experimente: Wie bewegen sich Flüssigkeiten im All? Antwort: Sie formen perfekte Kugeln. Ich setzte Tropfen aus dem Schlauch ab, schwebte mit offenem Mund darauf zu – und schluckte sie im Flug.

Ich schrieb Protokolle, sprach ins Logbuch, notierte Herzfrequenz, Schlafdauer, Nahrungsaufnahme. Alles war Routine. Und doch war jeder Tag ein Wunder.


Tag 5 – Schmerzen

Heute spürte ich den Rücken. Der Körper ist an die Schwerkraft gewöhnt – ohne sie dehnen sich die Bandscheiben. Ich war zwei Zentimeter gewachsen. Aber der Rücken schmerzte.

Auch der Darm rebellierte. Die eingeschränkte Bewegung, die Nahrung, das Sitzen – all das führte zu Blähungen. Ich musste mich an einem Griff festhalten, um mich in Position zu bringen.

Ich vermisste: eine Dusche, ein Kissen, das Gewicht einer Decke.

Stattdessen: feuchte Tücher. Damit wusch ich Hände, Gesicht, Genitalbereich. Ich wechselte die Unterwäsche jeden zweiten Tag – mehr hatte ich nicht dabei.

Trotzdem: Ich fühlte mich nicht dreckig. Ich fühlte mich… funktional.


Tag 6 – Tränen in Schwerelosigkeit

Ich hatte Heimweh. Einfach so. Es traf mich wie eine Schockwelle, als ich durch das Bullauge sah und plötzlich wusste: Ich bin weit weg. Unerreichbar. Wenn etwas schiefläuft, bin ich verloren.

Ich weinte. Aber im All laufen Tränen nicht über die Wangen. Sie sammeln sich um die Augen, bilden eine Linse. Ich wischte sie weg, fast wütend. Ich bin doch ein Kosmonaut, dachte ich.

Dann – ein Sonnenaufgang über dem Pazifik. Das Licht durchflutete die Kabine. Ich schwebte still, festgeschnallt, atmete langsam. Und ich spürte wieder: Ich bin Teil von etwas Größerem.

Ich nahm mein Diktiergerät und sagte:

„Wenn ich sterbe, soll man wissen: Es war es wert. Der Blick war es wert.“


Tag 7 – Rückkehr

Ich bereitete die Kapsel auf den Wiedereintritt vor. Systeme prüfen, Landesequenz aktivieren, Funk bestätigen. Ich war nervös.

14:22 Uhr UTC: Der Bremsimpuls zündete. Ich spürte, wie die Kapsel langsamer wurde. Dann trat sie in die Atmosphäre ein.

Hitze. Erschütterungen. Ich wurde wieder in den Sitz gepresst. Anders als beim Start – jetzt war es Abstieg. Ich spürte die Schwerkraft zurückkehren.

Die Fallschirme öffneten sich. Die Kapsel schaukelte. Ich atmete flach. Mein Nacken schmerzte.

Dann: Aufprall. Nicht weich – aber erfolgreich.

Ich lag da, atmete schwer, roch Staub und verbranntes Metall. Die Luke wurde geöffnet. Sonnenlicht blendete mich. Stimmen. Hände griffen hinein.

Ich wurde herausgehoben – konnte nicht stehen. Muskeln schwach. Kreislauf instabil. Ich lachte trotzdem.

„Ich bin zurück.“


Nachwort

Ich verbrachte die ersten 24 Stunden liegend. Ärzte überwachten mich. Ich trank Suppe. Ich duschte – lange. Ich weinte – wieder.

Heute, viele Jahre später, frage ich mich oft, wie ich das geschafft habe. Die Enge. Die Isolation. Die Demut. Doch dann erinnere ich mich an diesen Moment, als ich über der Erde schwebte, eine Wasserblase in der Luft, meine Gedanken lautlos und klar:

Ich war dort oben. Und ich werde es nie vergessen.