Ein neuer Windrekord im All:
Die unglaublichen Jetstream-Winde von WASP-127b
Einleitung
Die Entdeckung von Exoplaneten hat in den letzten Jahrzehnten unser Wissen über das Universum revolutioniert. Während viele dieser fernen Welten extremen Bedingungen ausgesetzt sind, hat ein bestimmter Exoplanet kürzlich für Aufsehen gesorgt: WASP-127b. Astronomen der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile haben auf diesem Planeten einen neuen Windrekord gemessen. Mit fast 33.000 km/h fegen dort sogenannte Jetstream-Winde über die Atmosphäre – das ist rund 26 Mal schneller als die Schallgeschwindigkeit auf der Erde.
Diese außergewöhnliche Entdeckung gibt uns nicht nur neue Einblicke in die Dynamik von Exoplaneten-Atmosphären, sondern stellt auch unsere bisherigen Modelle über Wetterphänomene auf fernen Planeten infrage. Doch wie kommt es zu solchen extremen Windgeschwindigkeiten? Und was bedeutet das für die Erforschung von Exoplaneten?
WASP-127b: Ein ungewöhnlicher Exoplanet
WASP-127b gehört zur Klasse der sogenannten heißen Jupiter – Gasriesen, die ihren Stern in extrem kurzer Zeit umrunden und dabei sehr hohe Temperaturen erreichen. Der Planet befindet sich 520 Lichtjahre von der Erde entfernt und wurde im Rahmen des „Wide Angle Search for Planets“ (WASP) entdeckt. Seine wichtigsten Eigenschaften:
- Größe: WASP-127b ist etwa 1,3-mal so groß wie Jupiter, aber nur halb so massiv, was ihn zu einem der „fluffigsten“ bekannten Exoplaneten macht.
- Umlaufzeit: Der Planet umkreist seinen Stern in nur 4,2 Tagen, was bedeutet, dass er extrem nahe an seinem Mutterstern liegt.
- Atmosphäre: Seine dünne, ausgedehnte Atmosphäre macht ihn zu einem idealen Kandidaten für detaillierte Studien mithilfe von Teleskopen.
- Temperatur: Die Temperaturen auf der Tagseite erreichen bis zu 1.100 Grad Celsius, was die Atmosphäre erheblich aufheizt und zu extremen Wetterphänomenen führt.
Der unglaubliche Windrekord
Auf der Erde erreichen Jetstream-Winde, die sich in der oberen Troposphäre befinden, Geschwindigkeiten von 500 bis 700 km/h. Diese Luftströmungen beeinflussen unser Wetter und die Flugrouten von Flugzeugen.
Doch auf WASP-127b wurde ein vollkommen neuer Maßstab gesetzt: Die dortigen Jetstreams erreichen eine atemberaubende Geschwindigkeit von 33.000 km/h. Das ist nicht nur 26-mal schneller als die Schallgeschwindigkeit, sondern auch mehr als das 40-fache der höchsten jemals auf der Erde gemessenen Windgeschwindigkeit (407 km/h, Hurrikan Patricia, 2015).
Diese unfassbaren Windgeschwindigkeiten könnten eine direkte Folge der extremen Nähe des Planeten zu seinem Stern sein. Die enorme Strahlung und Hitze heizen die Atmosphäre auf, wodurch gewaltige Druckunterschiede entstehen, die dann zu diesen Hochgeschwindigkeits-Jetstreams führen.
Wie misst man Winde auf einem Exoplaneten?
Die Messung von Windgeschwindigkeiten auf einem Exoplaneten ist eine technische Meisterleistung. Wissenschaftler nutzen dafür eine Methode namens Spektroskopie. Dabei wird das Licht, das durch die Atmosphäre des Planeten dringt, in seine Bestandteile zerlegt.
Wenn sich bestimmte Elemente in der Atmosphäre bewegen, verändert sich das Spektrum des Lichts durch den Doppler-Effekt – dasselbe Prinzip, das wir auch bei sich nähernden oder entfernenden Sirenen wahrnehmen.
- Rotes Verschieben: Falls sich die Luftmassen von uns weg bewegen, wird das Licht leicht in den roten Bereich des Spektrums verschoben.
- Blaues Verschieben: Falls sich die Luftmassen auf uns zu bewegen, verschiebt sich das Licht in den blauen Bereich.
Durch diese Messungen konnten Astronomen die gewaltigen Windströme von WASP-127b nachweisen und ihre Geschwindigkeit berechnen.
Warum sind diese Winde so extrem?
Die extremen Windgeschwindigkeiten auf WASP-127b lassen sich durch mehrere Faktoren erklären:
- Extreme Temperaturunterschiede: Der Planet ist eine sogenannte „gezeitengebundene Welt“, was bedeutet, dass immer die gleiche Seite dem Stern zugewandt ist. Dadurch gibt es eine extrem heiße Tagseite und eine kühle Nachtseite. Die Temperaturdifferenz erzeugt gewaltige Druckunterschiede, die zu Stürmen in planetarischem Maßstab führen.
- Geringe Dichte der Atmosphäre: Da WASP-127b eine ungewöhnlich „fluffige“ Atmosphäre hat, können sich Luftmassen darin leichter bewegen. Dies könnte erklären, warum die Jetstreams so ungebremst hohe Geschwindigkeiten erreichen.
- Starke Sterneneinstrahlung: Der Mutterstern von WASP-127b ist ein heller Gelber Zwergstern, der den Planeten mit gewaltiger Energie versorgt. Diese Energie wird in der Atmosphäre gespeichert und treibt enorme Luftbewegungen an.
- Fehlende Bodenreibung: Anders als auf der Erde, wo Gebirge und andere Landschaftsstrukturen den Wind abbremsen, gibt es auf WASP-127b keine feste Oberfläche. Das bedeutet, dass die Jetstreams ungehindert rasen können.
Die Bedeutung dieser Entdeckung
Die Entdeckung dieser Rekord-Winde hat weitreichende Konsequenzen für die Erforschung von Exoplaneten:
- Verständnis planetarer Atmosphären: Sie hilft Wissenschaftlern, bessere Modelle für die Atmosphären fremder Planeten zu entwickeln.
- Suche nach bewohnbaren Exoplaneten: Extreme Winde könnten darauf hindeuten, dass eine Atmosphäre zu instabil für Leben ist.
- Vergleich mit anderen Exoplaneten: Durch den Vergleich mit anderen heißen Jupiters lassen sich allgemeine Muster in der Planetenentwicklung erkennen.
Eine stürmische Welt jenseits unseres Sonnensystems
WASP-127b ist ein faszinierendes Beispiel für die extremen Bedingungen, die auf Exoplaneten herrschen können. Die Entdeckung von Windgeschwindigkeiten von bis zu 33.000 km/h stellt einen neuen Rekord in der Astronomie dar und zeigt, wie dynamisch und exotisch Atmosphären auf fernen Welten sein können.
Dank neuer Teleskope wie dem James-Webb-Weltraumteleskop werden wir in Zukunft noch mehr über diese fremden Welten erfahren. Vielleicht entdecken wir bald noch extremere Wetterphänomene – oder sogar Hinweise auf lebensfreundliche Bedingungen in anderen Sternsystemen.